Kino – Erlebnisse in Friedens- und Kriegszeiten

Passend zu den Ausführungen in der Ortschronik von Tyssa über das dortige Kino, möchte ich einige Erlebnisse dazu aus meiner Jugendzeit schildern. Ich bin Jahrgang 1928, in Tyssa geboren und wohnte mit meinen Eltern bis zur Vertreibung im Haus Nr. 375 (Richter-Förster). Ich kann mich noch gut entsinnen, dass ich als 6- jähriger 1934 mit meiner Großmutter einmal nach Königswald gewandert bin, um im dortigen Kino erstmals einen Film anzusehen, da das Kino in Tyssa noch nicht fertig gestellt war. Es wurde der Film „Emil und die Detektive“ gezeigt, der für mich in bleibender Erinnerung blieb. Wie waren wir doch froh, als im Oktober 1935 Tyssa ein eigenes Kino erhielt – noch dazu mit moderner Technik und anspruchsvoller Innenausstattung. Es war schon ein toller Anblick, wenn man den Kinoraum betrat, in dem die Wände und die Balkonbrüstungen mit rötlichem, silbergraugestreiften Samtstoff verkleidet waren. Als Jugendliche freuten wir uns neben dieser ganzen Ausstattung auch darüber, dass sogar beim Eingang zwischen Kassenschalter und Garderobe ein kleiner Kiosk vorhanden war, bei dem man Süßigkeiten oder ähnliches kaufen konnte. Besonders beliebt waren die Logenplätze in der oberen Etage – falls das Taschengeld schon etwas größer ausfiel – da sich hier schon manche zarte „Jugendfreundschaft- oder Jugendliebe“ entwickeln konnte.

Nach 1938 wurde natürlich das Kino nicht nur allein durch die Vorführung unterhaltsamer Spielfilme genutzt, sondern auch als „propagandistische Erziehungseinrichtung“. Mit der „Deutschen Wochenschau“, die stets zu Beginn der Filme gezeigt wurde, konnte man die „großen Fortschritte“ im Reich betrachten – bis sie dann beim Kriegsausbruch von siegreichen Kämpfen an allen Fronten, aber später auch von „Frontbegradigungen- oder Verkürzungen“ berichteten. Die Filmauswahl selbst wurde ebenfalls von „oben“ durch die „Reichsfilm-Kammer“ gesteuert – sodass neben Unterhaltungsfilmen auch Filme über den unaufhaltbaren Aufbau des Dritten Reiches gezeigt wurden.

Ein großer Teil der Jugend war bei Vorführung von Filmen über die siegreichen Einsätze der einzelnen Wehrmachtsteile begeistert und kannte ihre „Helden“ in ihren schneidigen Uniformen. In der Schule wurde diese Begeisterung noch durch die Eintragung von Sondermeldungen über Erfolge an den Fronten in einem „Kriegstagebuch“ sowie mit der Führung des Frontverlaufs durch Stecken bunter Fähnchen auf der Landkarte weiter geweckt. Erst im Verlaufe des Krieges, als sich das Ende mit großen Verlusten an den Fronten und in der Heimat abzeichnete, setzte bei vielen ein anderes Denken ein.

Das Kino, in dem vorher so mancher Lustfilm die Zuschauer zum Lachen brachte, wurde nun öfters zu ernsten Feierstunden für gefallene Söhne des Ortes. In feierlicher Form wurden die gefallenen Söhne des Ortes im Beisein ihrer Familienangehörigen und der Bevölkerung des Ortes geehrt. Gegenüber der Kirche befand sich ein Bekanntmachungskasten, in dem früher normale Kundmachungen zu lesen waren. Nun konnte man die Traueranzeigen von Gefallenen für „Führer, Volk und Vaterland“ darin erkennen gleichzeitig mit dem Hinweis, wann die Feierstunde für diesen Gefallenen im Kino stattfindet. Der Krieg forderte bis 1945 allein 54 Opfer im Ort. Während das Kino nun auch für die neuen Bürger von Tyssa noch seine Bedeutung hat, erinnert das Kriegerdenkmal als Ruine nicht mehr an seine Opfer.

Kriegerdenkmal

1944

2004