Badefreuden in der Heimat
„Erinnerungen sind ein Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann.“ Das sind weise Worte des Dichters Jean Paul. Auch die Erinnerungen an sommerliche Badefreuden daheim gehören zu diesem Paradies.
Für uns Kinder war der kleine Teich hinter der großelterlichen Mühle in Nollendorf so ein Stück Paradies. Ein Mühlgraben, gespeist von einem Teil des Dorfbaches, war unser Eldorado. Für gewöhnlich tummelten sich Forellen in dem Wasser,
sie flüchteten, wenn wir an heißen Sommertagen mit dem Waschtrog ankamen. Das Wasser war frisch und klar und allzu lange hielt man es darin nicht aus. Doch beim Herumtoben auf den umliegenden Wiesen verlor sich das Zähneklappern
bald wieder. Es war immer ein fröhliches Geplansche und zu der hauseigenen Jugend gesellten sich meist auch noch ein paar Dorfkinder.
Die Teiche in den Nachbarorten waren dagegen schon richtige Badeteiche. Ob die zwei Schönwalder Gewässer Relikte einer Ziegelei waren, weiß ich nicht. Sie waren jedenfalls ein Platz für „Kenner“, lagen wunderschön eingebettet zwischen zwei flachen Hügeln. Im Süden waren sie vom „Kühbusch“ begrenzt, durch den auch der Zulauf, gespeist von den Quellen in den Kaiblerwiesen, kam. Nach Norden war der Blick frei bis zur Sächsischen Grenze. Zum Baden wurde vorwiegend der obere größere Teich bevorzugt. Es gab keinerlei Badeeinrichtung, die meiste Zeit des Jahres lagen sie einsam und wurden nur vom Wild und Vögeln besucht. Hätte sich hierher ein Dichter verirrt, wären ihm sicher ein paar stimmungsvolle Verse zu diesem idyllischen Ort eingefallen. Von uns dorthin war es eine knappe Stunde Wegzeit. Die Straße führte fast eben durch den schönen Kühbusch, der in meiner Jugendzeit kein Busch, sondern ein sehr gepflegter 30-40 jähriger Fichtenwald war. An der Straße entlang standen Lärchen, die zu jeder Jahreszeit einen schönen Kontrast zu den dunklen Fichten bildeten.
Fast in gleicher Entfernung von uns lag der Peterswalder Teich. Er war ganz im Oberdorf, an der Einmündung der Schönwalder Straße in die Dorfstraße. An Badetagen, besonders am Wochenende herrschte hier reges Treiben, fast wie an der „Cote d`Azur“. Schwimmer und Nichtschwimmer tummelten sich im Wasser. Man konnte sich auch ein Ruderboot mieten und vom Wasser das ganze bunte Treiben beobachten. Für Essen und Trinken sorgte die angrenzende Gastronomie, Tische und Bänke vervollständigten das Angebot. Es wurden natürlich auch die neuen Sommerkleider ausgeführt, auch damals zeigte man, was man hatte. Peterswald war ja ein potenter Ort.
Ein wunderschöner, wenn auch langer Fußmarsch – Kinderfüße schafften ihn kaum in einer Stunde – war der unbefestigte Weg zum „Ziegelteich“. Man kam von einem steinigen Fahrweg vom Erzgebirge und ging sodann über ins Elbesandsteingebirge. Bis Oberwald war es wie gesagt steinig, dann plötzlich nur noch Sand. Schöner hellgrauer bis weißer Sand, der geradezu zum barfuss gehen verlockte. Auch der Wald war nach Oberwald ein anderer. Kieferbäume standen da, für ein Kind beinahe eine andere Welt. Noch dazu hatte man mir erzählt, dass hier Hexen hausen würden. So bin ich schon einige Jahre klopfenden Herzens durchgerannt. Die Angst war aber schnell ausgestanden, wenn das Wasser des Teiches durch die Baumstämme schimmerte. Der Ziegelteich lag ganz einsam in einer leicht gewellten Landschaft. Tyssa mit seinen berühmten Wänden war nur 15 Minuten entfernt, hinter einem Hügel, dadurch nicht direkt vom See einsehbar.
Der einige Hektar große Teich war im Süden von Wald begrenzt. Auf einem Damm führte die Zufahrtstraße von Tyssa bis in die Anlage. Hier gab es alles was für einen fröhlichen Badebetrieb nötig war. In den 30er Jahren hatte man noch ein Gerüst von einer ehemaligen Windmühle aufgestellt und darauf Sprungbretter in verschiedenen Höhen angebracht. Die ganz sportlichen Schwimmer, die sich von den Brettern in die Fluten stürzten, wurden natürlich entsprechend bewundert. Planschen, Schwimmen, Boot fahren, essen und trinken – alles war hier möglich. Der Ziegelteich war aber auch außer der Badesaison ein beliebtes Ausflugsziel und ein Zwischenaufenthalt auf dem Weg in dieTyssaer Wände oder zum Schneeberg. Am Heimweg gingen wir immer einen kleinen Umweg und schauten uns die schönen Wochenendhäuschen an, die ganz in der Nähe im Wald standen.
Das waren also unsere unvergesslichen sommerlichen Bademöglichkeiten. Was mag aus den Plätzen geworden sein?
Dort, wo wir als Kinder fröhlich im Waschtrog durch den Mühlteich paddelten, wo uns Tante Grete so oft mit der Hand eine Forelle, die unter einem vorstehenden Stein stand, fing, steht jetzt ein zwanzig Meter hoher Pfeiler der Autobahnbrücke.
Die gepflegten Wiesen mit ihren Obstbäumen rings um die Mühle sind Gestrüpp und Wildwuchs gewichen. Der Dorfweg, im Laufe der Jahre total verfallen und zum Teil vom gelegentlich Hochwasser führenden Bach weggerissen, er wurde für
den Autobahnbau wieder hergerichtet. Die Mühle selbst hat man in den 50-er Jahren abgetragen und den Abbruch in das Landesinnere verfrachtet. Meiner Mutter ihr „Schönster Wiesengrund“ ihn gibt es nicht mehr. Auch der Kühbusch, wie wir ihn nannten, existiert nicht mehr. Die Fichten wurden alle Opfer des sauren Regens. Es sah in den 70-er Jahren aus wie nach einem Waldbrand. Zum Teil hat man danach Blaufichten gepflanzt, aber zum größten Teil steht dort nur mehr Buschwerk.
Ob es die Teiche noch gibt? In dem angrenzenden kleinen Tal Dorfwerts sollen jetzt ein paar Ferienhäuschen stehen.
Der Peterswalder Teich war im Vorjahr noch ein großes Dreckloch. Kein Wasser, sondern Morast und Gestrüpp fand man dort, wo einstens so fröhliches Badeleben herrschte. Man will ihn angeblich wieder reaktivieren, so hörte ich. Vielleicht erhofft man sich dafür entsprechende Unterstützung aus dem Westen-.
Auch der Ziegelteich sah vor einigen Jahren total verkommen aus. Nichts, aber auch gar nichts erinnerte mehr an den damals so beliebten und gepflegten Badeteich.- Auch hier hörte ich, dass er wieder in irgendeiner Form dem Badebetrieb zugeführt wurde.
Die unvergesslichen Bilder der Erinnerung decken sich leider in keiner Weise mit der Gegenwart. So bewahrheitet sich doch der Gedanke, dass man aus dem Paradies der Erinnerung nicht vertrieben werden kann.