Die Schlacht bei Nollendorf und Kulm 29.- 30. August 1813

Das französische Korps unter dem Befehl des energischen General Vandamme hatte am 28. August die Höhen auf dem linken Elbufer bei Pirna besetzt und bedrohte dadurch bereits die Strasse, auf welcher die östlichste Kolonne der böhmischen Armee (russische Truppen und Garden) unter dem Kommando des russischen Generals Graf Ostermann-Tolstoi ihren Rückzug nach Böhmen bewerkstelligte sodass sich diese nur durch ein blutiges Gefecht bei Berggiesshübel die Strasse frei zu machenvermochte.  Vandamme erhielt von Napoleon für den nächsten Tag, den 29. August den Befehl, mit seinem Korps die Russen über den Haufen zu werfen und womöglich die Strasse Teplitz-Aussig zu erreichen.

Der russische General Graf Ostermann-Tolstoi, welcher zu der Zeit nur über das schwache 2. russische Korps Württemberg, die erste Gardedivision und 2.500 Reiter verfügte, hatte noch in der Nacht einen Ordonnanzoffizier nach Teplitz mit der Meldung gesandt, dass er sich angesichts der feindlichen Übermacht genötigt sehe, vor dem General Vandamme das Feld zu räumen und sich hinter die Eger zurückzuziehen.  Hätte Ostermann seine Absicht durchgeführt, so wäre der Plan Napoleons erreicht worden; Vandamme hätte sich bei KuIm und Teplitz entwickeln und die noch im Erzgebirge steckenden Kolonnen der Verbündeten, bei denen sich auch Zar Alexander I. befand, am Rückzug hindern können.  Es war also Gefahr im Verzug.  König FriedrichWilhelm, der bereits in Teplitzeingetroffen war, sandte daher sofort seinen Flügeladjutanten zu Ostermann, um ihm die schwierige Lage der böhmischen Armee auseinanderzusetzen und ihn dringend aufzufordern, sich dem weiteren Vordringen des Feindes mit allen Kräften zu widersetzen.

Ostermann entschloss sich nun auch, den Verzweiflungskampf mit Vandamme aufzunehmen und bezog zu diesem Zweck bei Priesten, am Ausgang des Teplitzer Defilees, eine Stellung.  König Friedrich Wilhelm liess überdies alle in der Nähe befindlichen Truppen der Verbündeten, die sich bereits diesseits des Erzgebirges befanden oder eben im Begriff waren, in das Egertal herabzusteigen, auf dem kürzesten Weg zur Unterstützung Ostermanns herbeieilen.  Das preussische Korps Kleist, im Marsch von Liebenau nach Fürstenwalde, erhielt den Auftrag, so schnell als möglich über den Geyersberg auf die alte Strasse nach Teplitz ins Tal herabzusteigen und die Russen zu unterstützen.  Auch der österreichische Oberst Jakob von Sück, an der Spitze seiner Erzherzog-Johann-Dragoner war auf den Geschützdonner herbeigeeilt und traf den König von Preussen auf einer Anhöhe nächst Teplitz.  Nach einer kurzen Rücksprache ritt Sück sofort zu Ostermann und stellte sich ihm zur Verfügung.

Zar Alexander I., auf dem Ritt vom Geyersberg nach Teplitz, tat ebenfalls sein Möglichstes zur Verbesserung der Lage.  Da er Schwarzenberg nicht treffen konnte, bewog er Metternich, die österreichischen Divisionen Colloredo und Bianchi, die nach Dux unterwegs waren, nach Priesten bei Teplitz rücken zu lassen.  Diese beiden Divisionen konnten aber erst am 29. in den Kampf eingreifen.  Ostermann löste seine Aufgabe vortrefflich.  Mit grösster Aufopferung hielt er seine Stellung zwischen Priesten und Karbitz gegen alle Anstrengungen der Franzosen, bis er nachmittags schwer verwundet das Kommando an den Herzog von Württemberg abgeben musste.  Es kämpften hier ca. 8.000 Russen gegen 30.000 Franzosen.  Vandamme hatte aber schon mit seiner Vorhut ungestüm angegriffen, da er glaubte es nur mit einer Nachhut zu tun zu haben.  Beide Teile nächtigten auf dem Schlachtfeld in ihren Positionen.

In der Nacht auf den 30. August schloss sich das Netz um Vandamme immer enger.  Gegen Abend schon waren Barclay de Tolly, der Oberbefehlshaber der russischen Truppen, Feldmarschall Fürst Schwarzenberg und Zar Alexander bei König Friedrich Wilhelm auf dem Schlachtfeld erschienen und man beschloss Vandamme am nächsten Tag mit aller Macht anzugreifen, bevor noch Napoleon Hilfe bringen könnte.  Kleist, der mit seinem Korps in Fürstenwalde eingetroffen war, beschloss gegen Nollendorf zu rücken.  Dieser Entschluss entsprang zwar der verzweifelten Lage, in der sich Kleist glaubte, der die direkte alte Strasse nach Teplitz, die verstopft war, nicht benützen konnte, aber ihm ist die vollständige Vernichtung des Korps Vandamme zu verdanken.

Die Franzosen (32.000 Mann) lehnten sich mit ihrem rechten Flügel an das waldige, steile Gebirge, von wo die Aufstellung in einem Bogen auf den südlich von Kulm sich erhebenden flachen Hügeln nördlich Böhmisch-Neudorf lief und sich mit ihrem linken Flügel an den steilen, bewaldeten Striesowitzer Berg stützte, den Vandamme jedoch nur auf der Westseite schwach besetzt hatte, vermutlich weil er ihn für ungangbar hielt.  Seine Stellung war durchaus dominierend und bot der französischen Artillerie eine vortreffliche Position.  Die Absicht der Verbündeten war, diese Stellung in der Front festzuhalten und erst dann zum Angriff auf deren linken Flügel zu schreiten, bis die beiden österreichischen Divisionen Bianchi und Colloredo, unterstützt durch die russische Kavallerie-Brigade sich der Höhen zwischen Böhmisch-Neudorf und Deutsch-Neudörfl (Striesowitzer Berg) bemächtigt haben würden und so die Rückzugslinie Vandammes bedrohten.  Diese 24 Bataillone, 12 Eskadronen und 24 Geschütze waren wohl im Stand, im bevorstehenden Kampf den Ausschlag zu geben.  Sie waren allerdings durch die Verluste bei Dresden geschwächt, Mannschaft und Pferde durch die Strapazen des Rückzugs über das Erzgebirge bei fortwährend schlechtem Wetter sehr hergenommen.

Schon um 3 Uhr früh brachen beide österreichische Divisionen und die Kavallerie-Brigade Sorbenburg auf und setzten sich gegen Karbitz in Marsch.  Die Brigade Hessen-Homburg blieb als Reserve des linken russischen Flügels bei Sobochleben zurück.  Die Division Bianchi kam vorläufig südlich Karbitz in Reserve, während die Division Colloredo für den entscheidenden Angriff auf den linken französischen Flügel bestimmt war.  Karbitz wurde durch das Regiment Czartoryski genommen; das Regiment de Ligne erstieg in drei Kolonnen die Anhöhen von Striesowitz, die Brigade Chiesa folgte.  Auf der Höhe des Striesowitzer Berges angelangt wurde der Feind mit dem Bajonett den steilen Abhang des Berges hinuntergeworfen und so der reitenden Batterie ermöglicht, auf der Höhe aufzufahren und die Franzosen wirkungsvoll zu beschiessen.  Nun ging Colloredo auf Auschine vor.

General Knorring war mit seiner Kavallerie gegen die mit mehreren feindlichen Regimentern und zahlreicher Artillerie besetzten Höhen zwischen Karbitz und Böhmisch-Neudorf vorgerückt, hatte drei Kanonen erobert, als plötzlich französische Infanterie in grosser Zahl hervorbrach und ihn in arge Bedrängnis brachte, aus welcher er aber durch das rechtzeitige Eingreifen der ihm folgenden Brigade Abele und der Kavallerie-Brigade Sorbenburg befreit wurde.  Diese nahmen 11 Geschütze und warfen die feindliche Infanterie zurück.  Die Kavallerie des Grafen Sorbenburg unterstützte Knorring, als sie die kritische Situation bemerkte.  Oberst Sück griff die französische Infanterie im Rücken und in der Flanke an, brachte sie und ihre Artillerie zum Weichen, worauf sofort eine österreichische Batterie an ihrer Stelle auffuhr und nun ihrerseits unter dem feindlichen linken Flügel aufräumte.  Johann-Dragoner stürmten mitten durch den zurückweichenden Gegner gegen Kulm weiter, wohin auch die Brigade Abele vorrückte, sodass die Verbindung mit den bei Auschine stehenden Teilen der Division Colloredo in der linken Flanke des Feindes hergestellt war.  Zu diesem Zeitpunkt fing eben das preussische Korps Kleist an, in den Rücken des Feindes bei Vorder-Tellnitz vorzugehen.  Vandamme erkannte die Gefahr seiner Lage und fasste den heroischen Entschluss, seine Artillerie zu opfern, um die Verbündeten in der Front aufzuhalten, mit seiner Infanterie und Kavallerie aber „kehrt” zu machen und sich durch die Preussen den Rückzug zu bahnen.

Ohne das Eingreifen der Österreicher wäre ihm das auch tatsächlich gelungen, denn das Korps Kleist war in schwierigster Lage.  Die Panik der feindlichen Kavallerie hatte überdies die Wirkung äusserster Kühnheit.  Sie stürzte über die vordersten Abteilungen des Kleist’schen Korps und einige Batterien unaufhaltsam gegen die Höhen von Nollendorf, über welche sie ihre Rettung suchte.In dieser für die Preussen so kritischen Lage (die Tete der Kleist’schen Kolonne war schon völlig zersprengt) griff Oberst Sück mit seinen Johann-Dragonern ein.  Nachdem er der zur Deckung des Rückzugs zurückgelassenen feindlichen Artillerie 17 Geschütze weggenommen hatte, wandte er sich gegen die französische Infanterie, welche ihrer Kavallerie gefolgt war und die Preussen bedrängte.  Vier Grenadierbataillone wurden hier zwischen Kulm und Schande auseinandergesprengt, ein Adler erobert, 1.400 Gefangene gemacht und zahlreiche gefangene Preussen wieder befreit, wodurch Kleist wieder einigermassen Luft bekam.  Hier wurde auch General Vandamme, der eben auf der Karte einen Ausweg suchte, von einigen Johann-Dragonern gefangen genommen.

Kaum hatte sich Colloredo von den Ankunft des Korps Kleist und von dessen augenblicklicher Bedrängnis überzeugt, griff er den linken Flügel der zurückflutenden feindlichen Reserve an, konnte dadurch dem Korps des General Kleist die Hand bieten und es von der Übermacht befreien.  Das Dorf Arbesau wurde mit dem Bajonett erobert, der Feind bis auf die Höhe dahinter zurückgeworfen und seine Verbindung mit Nollendorf abgeschnitten.  Die Division eroberte zwei Adler, 30 Kanonen und machte mehrere tausendGefangene.  Die Verluste betrugen l20 Gefallene, 289 Verwundete.  Die Brigaden Quälender und Mariassi der Division Bianchis waren im Anschluss an die Division Colloredo in Richtung Schande vorgegangen, stürmten mit dem Bajonett den westlichen Eingang von Nieder-Arbesauund schnitten einem Teil der Franzosen den Rückzugsweg ab.  Mit anderen Truppen liess Bianchi den Feind bei Schade angreifen und zu den waldigen Höhen hinter diesem Ort verfolgen.  Die Division verlor dabei 64 Mann an Gefallenen und Verwundeten.

Die ursprünglich hinter dem linken Flügel der Schlachtlinie bei Sobochleben als Reserve der Russen aufgestellte Brigade Hessen-Homburg rückte mit ihren und mit den Geschützen des russischen Generals Rajewski vor und brachte die feindlichen Geschütze zum Schweigen.  Die Brigade sollte dann den rechten französischen Flügel bei Eggenmühle umfassend angreifen.  Sie war aber nicht imstande, die zäh verteidigte Stellung zu nehmen.  Erst österreichische Verstärkungen erklommen die Höhen, erstürmten sie und zwangen den Gegner zum Rückzug auf die im Tal gelegene Eggenmühle.  Nach deren Wegnahme war der Feind gänzlich zurückgedrängt und KuIm in den Rücken genommen.  Beim weiteren Vordringen stiess die Brigade auf die bedrängten Truppen Kleist’s und vollendete im Verein mit diesen und den Divisionen Bianchi und Colloredo den Sieg der verbündeten Waffen.

Der Gesamtverlust der Verbündeten betrug 3,319 Mann.  Die Österreicher waren daran mit 817 Mann beteiligt.  Etwa das Sechsfache davon betrug der Verlust der Franzosen, namentlich jener an Gefangenen.  Das 1. französische Korps war nahezu aufgelöst; nur Vereinzelten gelang es durch die Wälder zu entkommen und den Anschluss an die französische Armee wieder zu gewinnen.  Nebst Vandamme war dessen Generalstabschef General Haxo, die Generale Quiot und Heimrodt gefangen, vier Generale waren auf dem Schlachtfeld geblieben.  Überdies büssten die Franzosen ihre ganze Artillerie, 82 Kanonen, den gesamten Train, zwei Adler und drei Fahnen ein.

Der Oberfeldherr Fürst Schwarzenberg sagt in seinem offiziellen Bericht über die Schlacht bei KuIm: ,,Die wetteifernde Tapferkeit aller allierten Truppen, das unaufgeforderte gegenseitige Zusammenwirken der Generale und Truppenkommandanten und die erhöhte Achtung, welche Russen, Preussen und Österreicher an diesem Tag wechselseitig füreinander empfanden, schlossen die Bande dieser für den erhabenen Zweck der Unabhängigkeit von Europa kämpfenden Armeen noch enger und erregten in jeder Brust den Wunsch nach neuen, ähnlichen Taten.

Zu erwähnen ist auch die Meldung von Oberst Sück, der vom Zar den WIadimirorden und vom Preussenkönig den Pour le mérite verliehen bekam, an den damaligen Oberstinhaber FML Schustekh  „Ich will nur das eine berichten, dass das Regiment Eurer Exzellenz die Schlacht entschieden hat; brav wie die Helden haben unsere Dragoner gefochten, die Offiziere wie es zu erwarten war.  Das Regiment hat Kanonen erobert, die feindlichen Infanterie-Massen niedergehauen und zu Gefangenen gemacht, die bereits schon gefangene Artillerie befreit und eine Fahne erobert; schön bleibt dieser Tag in den Analen des Regiments und noch glücklicher für mich, an dessen Spitze gefochten zu haben.”